Sachbericht „Düsseldörfchen – Ein Großstadtdschungel“ 2016

Das diesjährige Thema Großstadtdschungel fordert die Bürger auf, sich mit dem Kontrast oder der Begegnung von Urbanität mit Urwüchsigkeit und Natur auseinanderzusetzen. Geregeltes Spielstadtleben wird im Projekt verwoben mit Abenteuerlust. Das Wort Großstadt wird assoziiert mit Hektik, jeder Menge Verkehr, Handel, Lärm… Manche Metropole ist fast genau so schwer zu durchqueren wie ein Urwald und ebenso viele Gefahren lauern hinter jeder Ecke.

Die Vielfalt und der Abwechslungsreichtum der Kinderstadt wird zum Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Kinder werden mit der Herausforderung konfrontiert, sich im Chaos selber zu organisieren. Wie kann man sich in der Menge an Angeboten zurechtfinden, wie orientiert man sich in dem großen und offenen Spielgelände, wie findet man bei der Gleichzeitigkeit spannender Aktivitäten das, was einen wirklich interessiert? Wie „überlebt“ man im Großstadtdschungel?

Das Motiv knüpft auch an Kinderphantasien zum Thema Dschungel an. Schnell erscheinen ganz konkrete Dschungel-Assoziationen: Dschungel als dichter Wald, unberührte Natur, undurchdringliche Vegetation, grün in allen Facetten, Wildnis mit exotischen Pflanzen und unzähligen Tieren.

Wir machen aus den verschiedenen Aspekten ein spannendes Spielprojekt, das die Großstadt mit Dschungelhaftem mischt, den Südpark mit einem Hauch Exotik bereichert, mit fremden Tieren bevölkert, Urwaldflora zwischen heimischen Pflanzen sprießen lässt. Die Raubtiere können dabei die Börsenspekulanten oder auch die Löwen im Zirkus sein und das Dickicht findet sich wahlweise in der engen Bauweise des Dschungelkiezes wieder oder wird durch einen Schilderwald oder Gesetzesdschungel abgebildet.

350 Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren sind seit April für unser Projekt angemeldet und warten darauf, zum ersten Mal oder endlich wieder ihre Kinderstadt „Düsseldörfchen“ aufzubauen und sich in den vielfältigen Spielbereichen dieser Stadt zu engagieren, auszutoben und ihre Vorstellungen zu verwirklichen. „Düsseldörfchen“ ist zwar orientiert am Vorbild, der Großstadt Düsseldorf, in der die Kinder leben, aber es wird ganz nach den Vorstellungen und Interessen der Bewohner und Bewohnerinnen belebt und im Detail ausgestaltet. Jeder Bürger kann eigene Ideen verwirklichen und ist gleichzeitig ein wichtiger Teil der ganzen Kinderstadt, in der Geld verdient wird, Produkte erfunden und Talente entdeckt werden. Handwerk und Technik, Kunst & Kultur, Medien und Musik, Verwaltung und Wissenschaft, Unterhaltung und Konsum zeichnen diesen Dschungel der Möglichkeiten aus.

Durch die Größe des Projektes mit 22 Werkstätten und Betrieben ist es nötig zur Orientierung Teile der Großstadt unterschiedlich zu benennen und auszugestalten. Neben den beiden großen Zelten (Vorstadt und Zentrum) warten zwei Bauflächen, der Dschungelkiez und das Ladenzentrum, mit unterschiedlichem Bebauungsplan:
Bürger, die einen eigenen Laden eröffnen wollen, sind im Ladenzentrum richtig angesiedelt. Dort entsteht eine Geschäftsstrasse mit Kiosken, Souvenir- und Fanshops, Sandwichbuden, und Saftbars.
Anders sieht es im Dschungelkiez aus. Hier wird ein gemeinschaftliches, dichtes, verwunschenes Bauwerk entworfen und innovativ umgesetzt. Der Dschungelkiez ist der zentrale Ort, wo das diesjährige Thema augenfällig wird: hier wächst und wuchert mitten im Düsseldörfchen eine „grüne“ Siedlung, die einlädt, bespielt und erkundet zu werden. Diese wird gemeinsam mit allen Beteiligten geplant und gebaut und wird ein eng vernetzter, begeh- und bewohnbarer, verschachtelter und vielgestaltiger Kiez, auch zum Klettern, Balancieren, Schaukeln oder Hangeln.
Als neuer Bürger der Stadt erhält jedes Kind am ersten Tag den Düsseldörfchen-Ausweis. Dieses Dokument ist ein Sammelort für persönliche Angaben, Werkzeugführerscheine, Karrierenachweise, Wahlbeteiligung… Er enthält u.a. auch einen Stadtplan und wird im Laufe der Zeit vervollständigt. Am Ende ist er eine schöne Projekterinnerung.

Vom ersten Tag an füllen die Teilnehmer mit ihrer Baulust, Spielfreude und Kreativität die vorbereiteten Strukturen mit Leben. Die typischen Anfangsschwierigkeiten wie lange Wartezeiten bei der Arbeitssuche, an den Schaltern von Rathaus oder Bank oder zu viel Andrang bei den Lehrgängen zur Werkzeugkunde oder bei den begehrtesten Arbeitsplätzen sind innerhalb der ersten Tage ausgestanden, nachdem sich alle eingearbeitet, zurechtgefunden und orientiert haben. Nach kurzer Zeit schallt lautes Hämmern und Sägen durch das Südpark-Dickicht, die ersten Seifenkisten kreuzen den Weg und eine unerwartete Skyline taucht auf. Im Rathaus gründen sich mehrere Parteien, die die Bürger bei der ersten Bürgermeisterwahl mit ganz unterschiedlichen Konzepten und Versprechen von sich überzeugen wollen. Ob Steuereinnahmen, höherer Lohn, die Verbesserung der Lebensqualität oder die Durchführung besonderer sportlicher Veranstaltungen – die Parallelen zur echten Politik sind unübersehbar. Die „4 Lemuren“ mit Erfahrung aus dem Vorjahr treffen auf die PFA, DFB, die Jollys und die Dschungeläffchen. Nicht jede Partei hat den nötigen inneren Zusammenhalt, um im Wahlkampf bestehen zu bleiben und so dürfen sich die Bürger am Wahltag zwischen 3 Parteien entscheiden. Plötzliche Bestechungsvorwürfe werden noch während der Stimmenauszählung laut und verdichten sich so schnell, dass das Rathaus beschließt, die Wahl zu wiederholen. Bei einer Bühnenveranstaltung wird heiß diskutiert, über freie Meinungsbildung und ehrliche Politik und tatsächlich fällt das Ergebnis des zweiten Wahlgangs anders als zuvor aus. Die Stadt freut sich über den ersten wohlverdienten Bürgermeister, der sofort mit dem Bau der angekündigten Chill-Lounge startet.
Um den Handel in der Kinderstadt zu beleben und eine Vielfalt an Geschäfte zu ermöglichen, wird die Einfuhr von Rohstoffen erlaubt, allerdings verbunden mit einem Einfuhrzoll. Im neu eingerichteten Zollamt wird ermessen, wie hoch die zu erwartenden Gewinne sind und an den Cocktailbuden, Sandwich-Bars und Kiosken bezeugen nun die Zollplaketten den legalen Handel. Die Stadtkasse profitiert mächtig von dieser Gesetzeslockerung und die Geschäfte florieren.
Auch im Labor entwickelt sich alles prächtig, nicht nur mit der Erfindung eines neuen Spezial-Klebers. Selbst produzierte kosmetischer Produkte wie Lippenbalsam, Badekugeln und Handcreme lassen sich auf dem projekteigenen Markt zahlreich verkaufen. Auch bei der Schmetterlingszucht werden Erfolge verzeichnet. Unter dauernder Pflege und Beobachtung sind die Distelfalter geschlüpft und werden als Highlight beim Stadtfest in die lauen Südpark-Lüfte steigen gelassen.

Der Dschungelkiez entwickelt sich in kurzer Zeit zum Herzstück des Projektes und wird immer bunter. Eine Konstruktion aus Baugerüsten als Basis für den Kiez ermöglicht das Bauen in schwindelerregende Höhen. Bis Treppen und Hangeleitern montiert sind, befinden sich die Bürger mit turnerischem Talent im Vorteil. Schon die Materialwahl weckt Urwaldassoziationen: Die benachbarte WaA schneidet für uns großflächig und großzügig Bambus im Südpark und liefert dieses tolle, stabile Material bergeweise vor Ort an. Ruckzuck wird es verteilt und sorgt überall im Großstadtdschungel für die richtige Optik. Die Farm konstruiert damit Zäune und einen Ruhepavillon, der Zirkus baut einen Sichtschutz für ungestörte Proben, das Autowerk verwendet ihn als Sonnendach beim Chill-Floss und der ganze Dschungelkiez bekommt damit den richtigen Look. Naturmaterialien wie Äste und Bambus, Hängesitze in luftiger Höhe, Dachterrassen auf Höhe der Baumkrone, ein „Baumwipfelpfad“, Fassaden mit jeder Menge Blattwerk oder Leo-Print, Kletterelemente aus Seilen, Überspannungen aus Sonnensegeln, geknüpfte Geländer, Lianen- oder Perlenvorhänge laden ein, dieses dichte Bauwerk zu erobern. Auch im Dschungelkiez gibt es private Bereiche/Hütten/Buden, die – wie im Zentrum – von mehreren Kindern gemeinsam bewohnt werden.
Wie sehr die Stadt schon gewachsen ist und der Südpark sich verändert hat, zeigt das Gruppenbild aller Bürger, das mit Hilfe einer Drohne nach einer Woche aus der Luft aufgenommen wird.
In der zweiten Woche werden neue Parteien gesucht, um den amtierenden Bürgermeister abzulösen, der schon leichte Ermüdungserscheinungen zeigt und seine Amtszeit nach der ersten produktiven Phase nun lieber selber in der Chill-Lounge verbringt. Die Abschaffung der Händler-Lizenzen wurde von den Bürgern zwar positiv bewertet, sorgt jedoch bei der Bank, die für die Vergabe zuständig war, durch fehlende Einnahmen für Unzufriedenheit. Die Eröffnung des Postbetriebes schafft einen Ausgleich und verbessert die Kommunikationsstrukturen in der Stadt.

Immer unterwegs im Großstadtdschungel ist ein kleines Chamäleon, das zwar ein Filzprodukt aus dem Modehaus ist, aber auf der Schulter von Chefredakteur Malik zum Leben erwacht und als Maskottchen der Zeitung „under cover“ berichtet. So kann jeder aufmerksame Leser erfahren, wie ein Tagesablauf des Bürgermeisters aussieht oder wer „Held des Tages“ ist. Diese beliebte Rubrik kürt Kinder, die sich für gutes Leben im Düsseldörfchen besonders verdient gemacht haben. Bei der Hitzewelle, die in der dritten Woche herrscht, können das auch mal die Autowerkmitarbeiter sein, die allen Bürgern kostenfreie Abkühlung in der Waschanlage verschaffen.
Das triste Betonplateau bekommt einen dschungelhaften Anstrich mit urbanen Akzenten, Radiokabel treffen auf Lianen, Bambuszäune mischen sich mit rot-weißem Absperrband, Kunstpflanzen überwuchern Hausfassaden. Faszinierende Besucher in der Farm sind Gespenstschrecke, Schlange und Co aus dem Aquazoo, die zu stundenlangen Betrachtungen einladen und einen interessanten Kontrast zu den gezähmten Hühnern und Kaninchen bieten. Exotische Speisen wie Bananenbrot sorgen für spannende Geschmackserlebnisse und beim Geschmackstest mit verbundenen Augen muss sich niemand ekeln, sondern kann seine Sinne schärfen.
Die sprichwörtliche Affenhitze in dieser zweiten Woche passt zum Thema und lässt die Experimente mit einem riesigen Parabolkocher zwar gelingen – doch so recht hat niemand Lust auf eine heiße Suppe. Viel lieber erfrischen sich die Bürger in der Oase unter dem Wasserfall oder klettern durch die „grüne Hölle“ bis ins schattige Zentrum, wo Hängesitze zum Verschnaufen einladen. Auch das „Krankenhaus“ ist zu diesem Thema gefragt. Die Sanitäter leisten ganze Arbeit und kümmern sich darum, durch Vorsorge Sonnenbrand oder Sonnenstiche zu vermeiden und den Kindern zu vermitteln, das richtige Gleichgewicht zwischen Arbeit und Pausen zu finden. Viel trinken ist das Gebot der Stunde!
Vielleicht hat das Wetter auch negativen Einfluss auf politischen Ambitionen. Jedenfalls lässt sich sonst kaum erklären, warum weder die „Cooltivierten Kartoffeln“ noch die „Kolibris“ bei der zweiten Bürgermeisterwahl die Bürger überzeugen und eine Mehrheit erlangen konnten. Die Stadt erlebt eine heftige Politikkrise mit einem führungslosen Rathaus. Ämter werden nun an Freiberufler vergeben, damit wenigstens die wichtigsten Arbeiten erledigt werden. Denn wenn beispielsweise das Zollamt nicht besetzt ist, können keine Geschäfte getätigt werden und wenn das Bauamt schließt, werden keine Baugenehmigungen erteilt.
Trotz der Krise endet die zweite Woche mit einem tollen Stadtfest samt einem Klangkonzert mit Cachons, Regenstäben und Waschbrett. Und die Freitagsausgabe der Zeitung mit folgendem Eintrag spiegelt wahrscheinlich am besten die aktuelle Stimmung wieder: „Entschuldigt bitte, dass diese Ausgabe nicht so voll ist, aber wir mussten Fußball spielen“.

Die 3. Woche startet mit einer heißen Bürgerdiskussion darüber, was wäre, wenn im Düsseldörfchen Anarchie herrschte. Das Rathaus wird nun kommissarisch von den Betreuern verwaltet, die ein paar deutliche Maßnahmen initiieren, um durch Kontrasterfahrungen die Wichtigkeit einer demokratisch gewählten Regierung spürbar zu machen. So werden z.B. höhere Steuern und auch die Händlerlizenz wieder eingeführt. Daraufhin zetteln einige Kinder einen Streik an, finden aber am Rathaus keinen Ansprechpartner außer Betreuern, die erneut die Möglichkeit aufzeigen, durch Übernahme von Verantwortung die eigene Situation zu ändern. Auch wegen fehlender Argumente auf Seiten der Streikenden löst sich der Aufruhr bald in Luft auf und tatsächlich findet sich innerhalb der nächsten Stunden eine neue tatkräftige Partei, die DDP (Dschungel-Partei), die in einer kurzfristig einberufene Wahl bestätigt wird. Auch der Besuch von Düsseldorf Bürgermeisterin Claudia Zepuntke, die werbende Worte für Politik und Partizipation spricht, kommt genau zum richtigen Zeitpunkt.
Nun geht das Leben in der Kinderstadt also wieder seinen geregelten Gang und auch die Unterhaltung kommt mit der DDP, prominent vertreten durch Bürgermeisterin Helin, nicht zu kurz. Ein wichtiges Wahlversprechen war die Durchführung eines Talentwettbewerbes. Die neu eingeführten Strafzettel für Buh-Rufe aus dem Publikum tragen auf jeden Fall zum Gelingen solcher Veranstaltungen bei. Viele Talente finden sich, die in einem spannenden Wettbewerb gegeneinander antreten, ob Sänger, Breakdancer, Luftballon-Trickser oder Schlangenfrau – jeder möchte DschungelkönigIn werden.
Auch zahlreiche Sportveranstaltungen bieten in der 3. Woche noch Herausforderungen. Ob beim Sponsorenlauf Geld für bedürftige Betriebe zu erlaufen oder sich bei der Dschungelprüfung selber zu beweisen, Bewegung steht nun hoch im Kurs. Wer sich einfach austoben will, findet an der Wasserrutsche ein Betätigungsfeld oder macht beim Flashmob im Regen mit. Professionelle Bewegung gibt es im Zirkus zu sehen: die Artisten haben ihre Künste ausgebaut und präsentieren fantastische Shows.
Auch der leibliche Genuss kommt nicht zu kurz. In der Bäckerei werden Zebrakuchen produziert, während die Profi-Köche aus dem Restaurant sich inzwischen sogar an gegrillte Mehlwürmer wagen. Das Labor beschäftigt sich derweil mit der fabelhaften Welt der Molekularküche und züchtet nebenbei Urzeitkrebse.

Etliche Spielbereiche haben sich Namen zur Identifikation gegeben, die allesamt widerspiegeln, dass nun wirklich das Dschungelfieber ausgebrochen ist: So heißt das Autowerk „Crazy Monkey Cars“, der Zirkus „Flamingo“ und das Modehaus die „Ratternden Nattern“. Die Kunstakademie schafft zwischen den Bäumen ein riesiges Spinnennetz als Installation. Düsseldörfchen bietet wahrhaft ein faszinierendes Nebeneinander und Durcheinander!
Ein weiterer wichtiger Besuch aus der echten Politik beehrt unsere Kinderstadt: NRW-Arbeitsminister Rainer Schmeltzer möchte sich davon überzeugen, ob und wie das Prinzip „Faire Arbeit, faire Löhne“ hier funktioniert und nimmt begeistert viele Eindrücke mit. Und wie die meisten Besucher stellt er erstaunt die Frage „wie man in so kurzer Zeit eine solch komplexe Stadt aufbaut“. Eine Antwort kann vielleicht der Leitsatz aus den Baubereichen sein „Viele Hände, schnelles Ende“, aber wahrscheinlich trifft es noch besser die folgende Wortschöpfung eines Mitspielers: „Verrücktheitsliebend“ muss man sein!

Datum: 11. – 29.07.2016
Ort: Südpark Megaplatte
Dauer: 15 Tage à 8 Std
Nutzung: 350 Kinder
Struktur: 22 Werkstätten,60 Betreuer
Eine Veranstaltung im
Rahmen der Düsselferien der Landeshauptstadt Düsseldorf